Vortrag von Dr. Bernd Blankenstein,
Vorsitzender des Vorstands der Grammer AG, Amberg,
  anlässlich der Hauptversammlung am 26. Juni 2002 in Amberg
 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 
 

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, sehr verehrte Gäste und Freunde des Unternehmens,

im Namen des Vorstandes und der Mitarbeiter der Grammer AG begrüße auch ich Sie herzlich und bedanke mich gleichzeitig für Ihr Interesse an unserer Grammer AG, welches Sie durch Ihre Anwesenheit ja deutlich zum Ausdruck bringen. Ich freue mich, dass die heutige Veranstaltung wieder von Herrn Georg Grammer geleitet wird, der Ende April vom Aufsichtsrat einstimmig zum Vorsitzenden des Gremiums gewählt wurde. Im Namen des Vorstands wünsche ich ihm gutes Gelingen für seine neue Aufgabe.

Großen Beifall hat auch unser bisheriger Aufsichtsratsvorsitzender, Herr Dr. Heinz Ahrens, verdient, der dem Gremium seit 1994 angehörte. Mit seiner Fachkompetenz und der langen Erfahrung eines intimen Branchenkenners hat er die Unternehmensentwicklung stets aktiv und engagiert unterstützt und mit seinen immer sehr konstruktiven Beiträge einen hohen Anteil am Erfolg der Grammer AG.

Meine Damen und Herren, seit der letzten Aktionärs-Hauptversammlung an gleicher Stelle vor einem Jahr hat sich das Unternehmen trotz eines schwierigen Marktumfeldes solide weiter entwickelt, und wir sehen auch der Zukunft mit Zuversicht entgegen. 

Die Geschäftsstrategien, die ich Ihnen vor einem Jahr vorgestellt habe, wurden in der Zwischenzeit konsequent gelebt und haben sich bewährt. Ich darf Ihnen die Schwerpunkte noch einmal kurz in Erinnerung rufen:

Erstens: Wir brauchen Gewinn und Wachstum, aber Gewinn geht vor Wachstum. Im Jahr 2001 wurde nach diesem Grundsatz ein moderates Umsatzwachstum von 7,5 % realisiert, was wegen der unterkühlten Konjunktur dennoch als Erfolg bezeichnet werden kann.

Dem Umsatzplus von 7,5 % stand ein Anstieg des Gewinns vor Zinsen und Steuern von ca. 60 % gegenüber. Der Jahresüberschuss, also das Ergebnis nach Zinsen und Steuern, nahm sogar um 160 % zu.

Für das laufende Jahr ist ein derartiger Gewinnsprung nicht mehr zu erwarten, dennoch rechnen wir bei einer bis zu 10-%igen Umsatzsteigerung auch mit einem neuerlichen Gewinnzuwachs gegenüber 2001. Risiken hierfür sehen wir schwerpunktmäßig in der Region Amerika, wo sowohl auf dem für uns wichtigen Lkw-Markt als auch im bedeutsamen Agrarsektor zur Zeit noch eine extreme Investitionsschwäche besteht. Es handelt sich hier also nicht um ein Marktanteils­problem von Grammer, sondern um ein allgemeines Konjunkturproblem, welches noch nicht voll überschaubar ist.

Als zweiten wesentlichen Strategiegrundsatz hatten wir für die Grammer AG die absolute Zuverlässigkeit und Prozessfähigkeit in allen Aktionen definiert. In diesem Bereich kann ich Ihnen ebenfalls von Fortschritten berichten. Typische Messgrößen hierfür stellen Sonderfracht- und Qualitätsprobleme dar, und beide sind sehr stark rückläufig. Beispielsweise wurden unsere komplexen Fahrersitze für Schwer-Lkw des Kunden DaimlerChrysler in den letzten drei Monaten mit einer absoluten Nullfehlerrate ausgeliefert. Berücksichtigt man die hohe Komplexität dieses Produkts, das aus ca. 700 Einzelteilen besteht, zeigt sich die erfolgreiche Entwicklung der Qualitätsprozesse umso deutlicher. Nahezu alle unsere Standorte wurden während der letzten Monate außerdem nach dem neuesten und höchsten Qualitätsstandard TS 16949 zertifiziert. Wir betrachten Qualität und Zuverlässigkeit als absolut strategischen Vorteil im Markt, der zudem durchaus kostensenkend wirkt.

Als dritten strategischen Grundsatz hatten wir uns eine Beschränkung von Neuprojekten auferlegt, um eine personelle und maschinelle Überlastung zu verhindern. Die Konsequenz daraus ist natürlich ein verhalteneres Umsatzwachstum, was allerdings den Vorzug hat, dass die Finanzierung der Expansion sicher aus dem eigenen Cash-Flow erfolgen kann. Wir werden diesen Weg gezielt weiter verfolgen und haben unser Kunden- und Produktspektrum dementsprechend selektiert.

 
 

Die Strategiegrundsätze Nummer vier und fünf lauteten, wichtige Entscheidungsbefugnisse auf der Basis definierter Konzernrichtlinien zu dezentralisieren und die globalen Produktionsstandorte in ein effizientes Netzwerk einzubinden. Auch hier wurden erhebliche Fortschritte erzielt, ohne das Potenzial bereits voll auszuschöpfen. Als Ergebnis ist eine stark verbesserte Kapazitätsnutzung zu verzeichnen, so dass sich die Investitionen schwerpunktmäßig auf neue Technologien sowie auf Rationalisierung konzentrieren konnten. Auch im laufenden Jahr werden wir auf diese Weise verfahren können und somit unsere Marktposition stärken, ohne die Eigenkapitalquote zu belasten.

Als sechsten Schwerpunkt haben wir uns eine Reduzierung der Komplexität insbesondere in der Verwaltung vorgegeben. Im Jahr 2000 umfasste der Grammer-Konzern bei einem Umsatz von 690 Mio. Euro (1,3 Mrd. DM) noch 46 Gesellschaften. Zu Beginn des Jahres 2002 waren es nur noch 30 Gesellschaften, die wir im weiteren Jahresverlauf bei einem geplanten Umsatz von ca. 790 Mio. Euro auf 25 Gesellschaften reduzieren werden. Die damit einher gehenden Verwaltungsvereinfachungen und Kostenersparnisse sind erheblich und fördern konsequenterweise die Konzentration auf notwendige Schwerpunkte.

Als siebter Handlungsschwerpunkt wurde schließlich die qualitative und quantitative Stärkung der Infrastruktur definiert. Heute verfügt der Grammer-Konzern weltweit über eine starke Führungsmannschaft, die sich gemeinsamen Zielen und Handlungsweisen verschrieben hat. Erst vor sechs Wochen war dieses Team mit ca. 100 Personen in diesem Raum versammelt, um die globale Geschäftsstrategie abzustimmen und damit auch im laufenden und kommenden Geschäftsjahr eindeutige Prioritäten mit Konsequenz zu verfolgen. Hier zeigen sich also ebenfalls deutliche Fortschritte.

Meine Damen und Herren, als Ergebnis unserer strategischen Weiterentwicklung dürfen wir feststellen, dass der Markt positiv auf die veränderte Grammer AG reagiert. Trotz des schwierigen Umfeldes im Jahr 2001 konnte – wie eingangs beschrieben – der Weg zur Restrukturierung und Gesundung erfolgreich weitergeführt werden. Die erzielte Kapitalrendite von fast 10 % lag wieder über den Kapitalkosten, die Bilanzrelationen wurden auch aufgrund der Kapitalerhöhung wesentlich gestärkt und die Marktposition des Unternehmens gewinnt auf der Basis eines attraktiven und innovativen Produkt- und Serviceprogramms immer mehr an Bedeutung. Auch die Börse scheint die Unternehmensentwicklung zu honorieren, sehen wir doch seit Monaten entgegen dem allgemeinen Trend einen kontinuierlichen Wertanstieg der Grammer-Aktie. Der Vorstand sieht sich deshalb ermutigt, auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren.

Um die hierzu notwendige solide Unternehmensbasis weiter zu stabilisieren, schlagen Vorstand und Aufsichtsrat den Aktionären vor, den im Jahr 2001 erwirtschafteten Gewinn noch einmal zur Schuldentilgung zu verwenden.

Meine Damen und Herren, leider können wir diesen Vorschlag heute formell nicht zur Abstimmung bringen, weil dessen Abdruck in der Einladung zur Hauptversammlung leider versäumt wurde. Wir bedauern diesen Fehler und die damit für Sie verbundenen Unannehmlichkeiten außerordentlich und bitten höflichst um Entschuldigung.

Nachdem wir diesen Faux-pas entdeckt hatten, waren die vorgeschriebenen gesetzlichen Ankündigungsfristen für die heutige HV bereits unterschritten, und wir sehen uns daher gezwungen, am 9. August um 14:00 Uhr an gleicher Stelle eine erneute Hauptversammlung einzuberufen, um die Entscheidung zur Gewinnverwendung formal durchzuführen.

Sie sind hierzu natürlich herzlichst eingeladen. Sollte Ihnen der Aufwand jedoch zu groß sein, so bitten wir Sie, Ihre Entscheidung (oder Ihre Stimme) Ihrem Institutsvertreter zu übertragen. Auch wir werden die Kosten für diese Hauptversammlung, auf der ja nur über einen einzigen Tagesordnungspunkt, nämlich den Gewinnverwendungsvorschlag, abgestimmt wird, möglichst gering halten. Deshalb wird die Versammlung nicht mit dem üblichen Aufwand, sondern in sehr einfachem Rahmen, also auch ohne das gewohnte Buffet, stattfinden.  

Meine Damen und Herren, als wir den Fehler in der Einladung zur Hauptversammlung entdeckten, haben wir uns alle natürlich zunächst entsetzt angesehen. Wir versichern Ihnen, dass wir daraus lernen und eine Wiederholung vermeiden werden. Dazu wird natürlich auch unser konsequentes Streben nach einem attraktiven Gewinnverwendungsvorschlag beitragen. Denn dann wird jeder in unserer Organisation sein Fehlen in der Tagesordnung bereits beim ersten Entwurf sofort reklamieren. Wir bitten nochmals um Verständnis und Entschuldigung für die Ihnen zugemuteten Unannehmlichkeiten.

Wenden wir uns nun etwas verstärkt dem laufenden Berichtszeitraum 2002 und den Folgejahren zu: Die Weltkonjunktur hat sich im bisherigen Jahresverlauf bei weitem nicht so wiederbelebt wie viele es erwartet hatten. Darüber hinaus bleiben wichtige Märkte für das Haus Grammer – wie beispielsweise die Türkei oder Brasilien – zusätzliche Krisengebiete.

 
   

Unsicherheiten in der Planung sehen wir vom heutigen Standpunkt aus zudem in zwei Bereichen, die wir kaum aktiv beeinflussen können: dem Markt und der Währung. Zum einen steigt durch die eben angesprochene Konjunkturschwäche der Preisdruck, da auch die Rahmenbedingungen für unsere Kunden schwieriger werden. Die üblichen jährlichen Preisnachlässe fallen deshalb 2002 höher aus als geplant - und zwar in allen Segmenten. Zum anderen wird unser Ergebnis durch einen schwachen Dollar belastet. Nachdem wir in unserem Budget von einem Kurs von rund 0,93 Cent ausgegangen sind, der Dollar inzwischen aber bei 0,96 Cent steht, ergeben sich auch hieraus gewisse Unwägbarkeiten. Insgesamt sind wir aber trotzdem vorsichtig optimistisch.

Für 2002 rechnen wir im Vorstand bei einer baldigen Konjunkturerholung mit einem Umsatzwachstum von bis zu 10 % (Vj. 721). Getragen wird diese Zuversicht einerseits von gestärkten Markt- und Marktanteilspositionen in nahezu allen Produktbereichen und andererseits von einer doch hohen Planerfüllung im bisherigen Jahresverlauf. Dieser Geschäftsplan wurde mit der Maßgabe "konservativ - realistisch" erstellt, was sich für die ersten fünf Monate des Jahres als richtig erwiesen hat. Es sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass wir für die zweite Jahreshälfte mit einer sichtbaren Konjunkturerholung vor allem in den USA gerechnet haben, was z. Zt. noch nicht als gesichert gelten kann.

Auch in anderen Märkten wie z.B. in der Türkei ist der erwartete Aufschwung bisher ausgeblieben. Sollte die wirtschaftliche Entwicklung im zweiten Halbjahr deutlich hinter unseren Planungen zurückbleiben, wird es schwierig, die von uns prognostizierte, zum Umsatz überproportionale Gewinnsteigerung zu erreichen. Im Vergleich zum Vorjahr gehen wir jedoch weiterhin von einem Ergebniszuwachs aus.

Meine Damen und Herren, die Verbesserungen in unseren Geschäftssystemen und in den Prozessabläufen sowie die Konzentration auf neue Innovationen und Technologien haben dazu geführt, dass die Grammer AG von den Kunden immer häufiger als hoch qualifizierter Systementwickler anerkannt wird - eine Tatsache, die unsere Marktposition deutlich stärkt. Lassen Sie mich dies mit einigen markanten Beispielen aus den Produktbereichen belegen:

Im Bereich Automotive Interior Systems möchte ich die komplexe hintere Mittelarmlehne der neuen BMW 7er Reihe anführen, die wir "Just in Sequence" an das Band des Kunden liefern. Wir fertigen bei diesem Produkt bis zu 22.000 verschiedene Variationen; bei voller Bestückung ist eine Mittelarmlehne 4.000 € wert. Natürlich kann ein solches Produkt nicht vorbeugend auf Lager produziert werden. Die heutige Automobilindustrie erfordert eine entsprechende Fertigungs- und Logistikflexibilität, durch die auch ein solch komplexes Produkt in zwei bis drei Tagen nach Abruf bereitgestellt werden kann. Grammer beweist diese Fähigkeit täglich.

Im Segment Seating Systems nehmen die Komfortsitze für Lkws mit bis zu 39 Funktionen, die High Tech-Sitze für den Agrar-, Bau- und Industriebereich sowie Luxussitze für den Bahn- und Busbereich einen immer größeren Anteil am Geschäftsvolumen ein. Ab Juni dieses Jahres wird Grammer auch die neue Magnetschwebebahn Transrapid in Shanghai/China bestücken - ein weiterer Beweis für unsere hohe Kompetenz und das hervorragende Image von Grammer-Sitzen.

Im Jahr 2002 und darüber hinaus wollen wir unser Augenmerk noch stärker auf Innovationen und Kundenorientierung richten. Auf dieser Basis sehen wir bei der Grammer-Gruppe gute Chancen für weiteres profitables Wachstum.

Die Investitionsplanung sieht ein Konzernvolumen von 33 Mio. € vor. Im Vordergrund stehen markt- und technologieorientierte Projekte, wobei etwa 18 Mio. € auf den Bereich Automotive Systems, 13 Mio. € auf das Segment Seating Systems und der Rest auf den Zentralbereich entfallen. Die Finanzierung der Konzerninvestitionen wird wieder voll aus dem Cash-Flow erfolgen können.

Die Zahl der Beschäftigten dürfte im laufenden Jahr trotz der Umsatzsteigerung in etwa gleich bleiben. Erstmals wollen wir 2002 neben den Führungskräften auch alle anderen Mitarbeiter im Konzern am Unternehmenserfolg beteiligen und damit den wertorientierten Managementansatz konsequent weiterführen. Ausschlaggebend für die Zahlung der erfolgsabhängigen Gehaltskomponente ist das Übertreffen der budgetierten Kapitalrendite, die 2002 bei etwa 11 % liegen soll.

Zusammenfassend glaube ich sagen zu dürfen, dass sich die Grammer AG in schwierigem Umfeld nicht nur behauptet, sondern positiv weiterentwickelt. Trotz des massiven Preisdrucks am Markt haben wir ein gutes Potenzial für profitables Wachstum. Wenn wir die Rationalisierungsmaßnahmen konsequent fortführen, ergeben sich weitere nennenswerte Möglichkeiten zur Kostensenkung. Diese resultieren vor allem aus

  • der Gesamtprozessbetrachtung bzw. -optimierung
  • einem durchgängigen Supply Chain Management,
  • der Komplexitätsreduzierung bei den Produkten und in der Verwaltung sowie
  • der globalen Vernetzung.

Hier liegen wichtige Schwerpunkte und Prioritäten für die globale Führungsmannschaft der Grammer AG, und wir sind überzeugt, dass wir auf diesem Wege auch in der Zukunft erfolgreich sein werden.

Ich möchte hiermit meinen Bericht schließen und meinen für Finanzen zuständigen Kollegen Alois Ponnath bitten, nun mit harten Zahlen und Fakten aus 2001 und den ersten Monaten 2002 die von mir dargestellte Gesamtentwicklung des Unternehmens zu untermauern.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.